Gesetzliche Vorgaben rund um die koordinierte Post-Fraktur-Versorgung

Der Gesetzgeber in Deutschland versucht bereits, über gesetzliche Regelungen – wie Vorgaben zum Entlass-Management – die Patientenversorgung und die sektorübergreifende Kooperation zu verbessern. Im Folgenden können Sie sich zu den wichtigsten gesetzlichen Vorgaben im Zusammenhang mit einer koordinierten Post-Fraktur-Versorgung informieren.
Das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz) trat 2015 in Kraft und verpflichtet seitdem zu einem Entlass-Management. In erster Linie soll es die medizinische Versorgung der Bevölkerung sichern und weiter verbessern. Eine wichtige Neuregelung dieses Gesetzes ist die Einführung konkreter Regelungen zum Übergang von Patienten aus der stationären Behandlung in eine ambulante Nachbehandlung.
So gibt § 39, Abschnitt 1a vor: „Die Krankenhausbehandlung umfasst ein Entlass-Management zur Unterstützung einer sektorenübergreifenden Versorgung der Versicherten beim Übergang in die Versorgung nach Krankenhausbehandlung“. Sie können den vollständigen Paragraphen auch unter folgendem Link einsehen:
Zum Paragraphen (letzter Aufruf: 05.07.2020)
Was ist der Hintergrund des Entlass-Managements?
In bestimmten Fällen ist nach Abschluss der Krankenhausbehandlung eine weiterführende Unterstützung des Patienten nötig, um den Behandlungserfolg zu sichern. Im Fall der Osteoporose bedeutet dies, Folgefrakturen zu verhindern. Der Patient hat hier gegenüber dem Krankenhaus einen Anspruch auf ein Entlass-Management. Das kann auch eine medizinische oder pflegerische Versorgung umfassen, die ambulant oder stationär in Pflege- oder Rehabilitationseinrichtungen erfolgen kann. Außerdem können Terminvereinbarungen mit Ärzten, Physiotherapeuten, Pflegediensten oder Selbsthilfegruppen Teil des Entlass-Managements sein. Auch die Unterstützung bei der Beantragung von Leistungen bei der Kranken- oder Pflegekasse können durch diese Anschlussversorgung gewährleistet werden.
Was ist das Ziel des Entlass-Managements?
Das Ziel des Entlass-Managements ist die bedarfsgerechte und kontinuierliche Versorgung des Patienten im Anschluss an die Krankenhausversorgung. Wichtigster Punkt ist hierbei die strukturierte und sichere Weitergabe versorgungsrelevanter Informationen an den weiterbehandelnden Arzt. Die Krankenhäuser sollten ihre Patienten darüber hinaus über ihr Entlass-Management informieren – beispielsweise über ihre Klinikhomepage.
Wichtige Inhalte des Entlass-Managements
Ein korrektes und sorgfältiges Entlass-Management umfasst mehrere Punkte. Dazu zählen unter anderem folgende:
- Für das Entlass-Management muss beim Patienten eine Einwilligung eingeholt werden.
- Die Patienten müssen über die Notwendigkeit des Entlass-Managements sowie über die Versorgungsmöglichkeiten und Strukturen beraten werden. Diese Patienteninformation muss außerdem entsprechend dokumentiert werden.
- In der Patientenakte muss die Zustimmung oder Ablehnung des Patienten zur Durchführung des Entlass-Managements dokumentiert werden.
- Es sollte ein initiales beziehungsweise bei Bedarf ein differenziertes Assessment des Patienten erfolgen. Der Patient (bzw. sein Betreuer, Personen-Sorgeberechtigter) ist vor dem Assessment über die Inhalte und Ziele des Entlass-Managements schriftlich zu informieren. Diese Information muss ebenfalls dokumentiert werden.
- Das Krankenhaus führt bei Bedarf ein Gespräch mit dem weiterbehandelnden Leistungserbringer und muss einen weiteren Informationsaustausch mit diesem sicherstellen. Auch können zeitnahe Termine für die Anschlussversorgung vereinbart werden.
Weitere Informationen zum Entlass-Management finden Sie hier.
Nach § 140 des SGB V können Krankenkassen Verträge mit Leistungsbringern über eine besondere Versorgung von Versicherten abschließen. Dies beinhaltet eine interdisziplinär fachübergreifende Versorgung (integrierte Versorgung) sowie besondere ambulante Versorgungsaufträge. Dies kann auch im Rahmen einer koordinierten Post-Fraktur-Versorgung für Osteoporose genutzt werden.
Krankenkassen können diese Verträge abschließen mit
- zur Versorgung der Versicherten berechtigten Leistungserbringern oder Gemeinschaften (z. B. Krankenhäusern, Ärzten und Therapeuten),
- Trägern von Einrichtungen, die eine besondere Versorgung durch berechtigte Leistungserbringer anbieten,
- Pflegekassen und zugelassenen Pflegeeinrichtungen,
- Praxiskliniken,
- pharmazeutischen Unternehmen,
- Herstellern von Medizinprodukten im Sinne des Gesetzes über Medizinprodukte und
- kassenärztlichen Vereinigungen.
Zu bedenken ist allerdings, dass die Wirtschaftlichkeit eines solchen Vertrages, der gemäß § 140 abgeschlossen wurde, spätestens vier Jahre nach seinem Inkrafttreten nachweisbar sein muss. Entscheidend ist auch, dass die Versicherten ihre freiwillige Teilnahme an der besonderen Versorgung schriftlich oder elektronisch gegenüber der Krankenkasse erklären müssen.
Beispiele für integrierte Versorgung und Krankenkassenverträge nach § 140 des SGB V
Vorreiter für eine integrierte Versorgung schon vor dem Gesundheitsreformgesetzes 2000 war die Bundesknappschaft. Ursprünglich eine Versicherung für Beschäftigte aus dem Steinkohlebergbau, gründete diese 1999 das „Integrierte Versorgungsmodell ‚Prosper‘ Bottrop“. Hierbei schlossen sich Knappschaftsärzte aus einer Region zu einem Netzwerk um ein von der Knappschaft betriebenes Krankenhaus zusammen.[1]
Integrierte Versorgungsverträge und Behandlungsmodelle im Bereich der Osteoporoseprävention werden heute vom BKK Landesverband Nordwest und der IKK classic angeboten.
Ein weiteres Beispiel für eine erfolgreich integrierte Versorgung im Rahmen eines gemäß § 140 geschlossenen Vertrages ist das Osteoporoseversorgungsmodell Nordrhein, das seinerzeit mit der AOK durchgeführt wurde. Im Rahmen dieses Programms konnten die krankenhauspflichtigen Frakturen um 70 % reduziert werden. Der Verbrauch an Schmerzmitteln war im Vergleich zur Regelversorgung in diesem Programm um 15 % geringer.[2]
Den kompletten § 140 des SGB V können Sie bei Interesse hier abrufen (letzter Aufruf: 05.07.2020).
Weitere Informationen zur integrierten Versorgung finden Sie hier:
Das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) trat am 11. Mai 2019 in Kraft und soll die medizinische Versorgung für Patienten verbessern. Grundlegendes Ziel ist es, den Patienten zu ermöglichen, Arzttermine sowie Leistungen der Krankenkassen schneller zu erhalten.[3]
Dazu gehören konkret
- der Ausbau von Terminservicestellen (TSS), die als zentrale Anlaufstellen für Patienten 24 Stunden an sieben Tagen/Woche erreichbar sein sollen,
- die Erhöhung der Mindestsprechstundenangebote von Vertragsärzten,
- die Eröffnung neuer Praxen oder Versorgungsalternativen in unterversorgten Gebieten durch kassenärztliche Vereinigungen und
- die Verpflichtung für Krankenkassen, ihren Patienten ab 2021 eine elektronische Patientenakte (ePA) anzubieten.
Extrabudgetäre Vergütung ärztlicher Zusatzleistungen
Darüber hinaus soll im Rahmen des TSVG die Vernetzung unter Ärzten durch eine extrabudgetäre Vergütung von erfolgreichen Überweisungen und Zusatzangeboten gefördert werden.
Das beinhaltet folgende Punkte:
- (Akut-)Leistungen für Patienten, vermittelt durch die TSS
- Erfolgreiche Vermittlung eines dringenden Facharzttermins durch den Hausarzt
- Leistungen für neue Patienten in der Praxis (extrabudgetäre Vergütung aller Leistungen im Behandlungsfall und im Quartal). Diese Regelung gilt allerdings nicht für Neupraxen (innerhalb von zwei Jahren nach Gründung) sowie bei Gesellschafterwechsel in der Arztpraxis. Die bisherige Behandlung im Rahmenselektivvertrag führt nicht zur Einstufung als Neupatient.
- Leistungen, die in der offenen Sprechstunde erbracht werden
- Leistungen für übernommene Patienten nach Terminvermittlung durch einen Hausarzt
TSVG-Bereinigung
Bei der extrabudgetären Vergütung ärztlicher Leistungen ist jedoch zu beachten, dass die neuen TSVG-Regelungen auch mit einer Bereinigung der jeweiligen Budgets einhergehen.
Gelder, die bisher im Zuge der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) zur Verfügung standen, müssen dieser wieder entnommen werden, falls diese Leistungen jetzt extrabudgetär vergütet werden. So wird eine doppelte Vergütung verhindert. Daher zahlen die Krankenkassen in den ersten vier Quartalen des Bereinigungszeitraums nur die Preisdifferenz zur Ausbudgetierung (Quote), jedoch nicht die Mengenentwicklung (Fälle, Leistungen), die in Ihr gesamtes Regelleistungsvolumen (RLV) eingeht.
Ein Mehr an solchen Fällen und Leistungen geht somit im ersten Jahr zu Lasten der Preise für die übrigen Leistungen und reduziert in der Folge die MGV und damit auch das RLV Ihrer Praxis. Werden innerhalb des ersten Jahres sehr viele Mehrfälle und -leistungen im Rahmen der neuen ausbudgetierten Möglichkeiten abgerechnet, geht Honorar in den Fachgruppentöpfen verloren. Die Folge sind niedrigere Quoten bei den freien Leistungen sowie sinkende RLVs.
Erst ab dem zweiten Jahr werden die zuvor aufgeführten Leistungen von den Krankenkassen wirklich zusätzlich zur MGV mit dem tatsächlichen Preis vergütet.
- Schoeller A. Deutsches Ärzteblatt 2003; 16: 1041-1044.
- Niedhart C et al. Z Orthop Unfall 2013; 151: 20-24.
Bundesministerium für Gesundheit. Schnellere Termine mS, bessere Angebote für gesetzlich Versicherte. Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG). Available from: www.bundesgesundheitsministerium.de/terminservice-und-versorgungsgesetz.html.